Selbstbestimmte Geburt

Über die selbstbestimmte Geburt und was es bedeutet, eine selbstbestimmte Geburt wirklich zu erleben, hatte ich mir nie Gedanken gemacht.

Krankenhaus. Kreißsaal. Kind.

Fertig.

Das änderte sich erst, als ich für meine Tochter Loreley die Diagnose “Spina bifida” bekam.

Selbstbestimmung beginnt nicht erst im Kreißsaal, sondern viel früher.

Buch-Hinweis: Genau darüber schreibe ich auch in meinem Buch Schwere Entscheidungen leicht treffen*. Darin erzähle ich, wie wichtig es ist, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen – nicht nur bei der Geburt, sondern in allen Lebensbereichen.


Angestiftet durch die Blogparade Was hat Geburt mit Feminismus zu tun? von Katharina Tolle, anlässlich des Internationalen Frauentags habe ich meine Perspektive auf das digitale Papier gebracht. 

Ich verweise an dieser Stelle auch auf die Blickwinkel von Tanja von sternenkinder.org.

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Kopf runter, Beine hoch – eine ganz neue Perspektive

Da lag ich also im OP.

Unten war ich vollkommen ungeschützt.

Ich lag nicht einfach auf dem Rücken.

Nein, ich wurde mit dem Kopf nach unten gekippt, sodass mir das Blut in den Kopf lief.

Um mich herum 7 „vermummte Personen”. 

Ich wurde mit Medikamenten vollgepumpt und fühlte mich wie gelähmt.  

Panik stieg in mir auf. 

Ich fühlte mich hilflos und ausgeliefert. 

Mir wurde übel. 

Selbstbestimmt fühlte ich mich überhaupt nicht.

Als sie gerade mit dem Eingriff beginnen wollten, hörte ich den entscheidenden Satz, der mir Erleichterung brachte: „Die Nachgeburt ist da. Vollständige Ablösung der Plazenta. Eine Ausschabung ist nicht nötig.“

Zwei Stunden zuvor hatte ich meine Tochter Loreley tot zur Welt gebracht.

Die gesamte Geburtsgeschichte kannst du hier lesen.

Was ist Feminismus für mich

Ganz allgemein bedeutet Feminismus für mich, dass Frauen ihre Rechte kennen und durchsetzen und dass wir ein System schaffen, in dem diese Rechte selbstverständlich sind und die individuellen Grenzen und Wünsche respektiert werden.

In Bezug auf das Thema “Kinder” ist Feminismus ganz klar das Recht auf körperliche Selbstbestimmung. 

Hier geht es mir vor allem um Verhütungsmethoden, Abtreibung und ganz klar die Geburt selbst.

Dazu gehört für mich auch eine selbstbestimmte Geburt, bei der die Frau ihre Wünsche und Entscheidungen respektiert sieht.

Mein Motto lautet: Mein Körper, meine Regeln!


Als Frau habe ich das Recht, meine Grenzen zu setzen.

Als selbstbestimmte Frau habe ich auch die Pflicht dafür zu sorgen, dass meine Grenzen respektiert werden – in erster Linie von mir selbst. Aber auch von meinem Partner, Ärzt:innen, Hebammen, vom gesamten System.

Feminismus bedeutet für mich nicht nur individuelle Selbstbestimmung, sondern auch, dass wir ein System schaffen, in dem Frauen nicht ständig kämpfen müssen.

Selbstbestimmung beginnt in unser aller Köpfen.

Was hat Geburt mit Feminismus zu tun

Alles.

Selbstbestimmung heißt nicht nur, dass die Frau für sich entscheidet, OB sie ein Kind bekommen möchte.

Es heißt auch, dass sie für sich Antworten auf diese Fragen findet:

  • WANN ist der richtige Zeitpunkt für mich, um ein Kind zu bekommen?
  • VON WEM und/oder MIT WEM möchte ich mein Kind bekommen?
  • WIE möchte ich das Kind bekommen?
  • WO soll mein Baby auf die Welt kommen?


Wahrscheinlich gibt es noch unzählige weitere Fragen. 

Ich belasse es mal bei diesen, denn das sind die Fragen, mit denen ich mich jahrelang bewusst auseinandergesetzt habe, damit ich eine selbstbestimmte Geburt erleben kann.


Alles war meine Entscheidung.

Für Selbstbestimmung braucht es Klarheit, Mut und Entscheidungswillen. es Klarheit, Mut und Entscheidungswillen.


Selbstbestimmung kannst du lernen:


Warum wir noch lange nicht bei der Selbstbestimmung angekommen sind

Geburt ist eine Grenzerfahrung.

Körperlich.
Emotional.
Psychisch.

Eine Geburt sollte eine positive Erfahrung sein – eine selbstbestimmte Geburt und keine, die von Angst und Kontrollverlust geprägt ist.

Schließlich geht es um unseren Körper, unser Baby, unser Leben.

Aber genau da fängt das Problem an.

Viele Frauen erleben während der Geburt einen Kontrollverlust. Nicht, weil sie es wollen, sondern weil ihnen die Kontrolle genommen wird.

Sie spüren beispielsweise, dass etwas nicht stimmt. Ihr Körper sagt es ihnen. Doch anstatt ernst genommen zu werden, hören sie:

„Alles gut. Wir wissen, was wir tun.“


Und wenn doch nicht alles gut ist? 

Dann muss es auf einmal ganz schnell gehen.

Es wird einfach gemacht und alle machen mit.

Ohne echte Aufklärung und ohne Zeit bleibt den Frauen häufig keine echte Wahl.

„Wir machen das jetzt mal so.“

Da hört eine Frau nach einem pränatalen Befund eben auch mal: „Wir haben gar keine Wahl und sollten sofort eine Ausschabung machen.“

Kein Gespräch. 

Keine Alternativen. 

Keine Zeit, zu verstehen, was hier gerade passiert.

Geburt – zwischen Wunder und Wirtschaft

Die Geburt ist der Moment, in dem neues Leben beginnt – sowohl für das Kind aber auch für die Mutter. 

Als Frau und Mutter schenken wir Leben und doch wird uns oft gezeigt, wie tief patriarchale Strukturen in unser Leben eingreifen – bis in die intimsten Augenblicke. 

Die Geburt wird häufig zum medizinischen Prozess, bei dem es auch um Macht und Geld geht.

  • Wer entscheidet, wie lange eine Geburt dauert? Unser Körper oder die Krankenkasse, weil sie festlegt, wie lange gezahlt wird?
  • Was wird besser bezahlt? Die natürliche Geburt oder die Kaiserschnittgeburt?
  • Wird eine PDA gegeben, wenn die Frau sie verlangt oder entscheidet die Hebamme aus Überzeugung, dass dieser Weg der falsche ist?


Es liegt an uns, diese Strukturen zu erkennen und aktiv für eine selbstbestimmte Geburt einzutreten. Gleichzeitig bedeutet Selbstbestimmung auch, Verantwortung zu übernehmen – selbst dann, wenn das System nicht mitzieht oder die Kosten nicht übernimmt.

Selbstbestimmung ist Freiheit und diese hat immer ihren Preis.


Hier sind zwei Beispiele von der Geburt meines Sohnes.

“(…) Dann kam die Ärztin rein und fragte, an welchem Ort ich mich jetzt am wohlsten fühlen würde.

In meinem Kopf erschien ein 5 Sterne-Hotel auf den Malediven, doch dieses Bild schob ich zur Seite, denn diesen Ort konnte sie unmöglich gemeint haben.

Ich sagte ihr, dass ich gerne in die Geburtswanne im Kreißsaal wollte.

Die kam dem Spa des fünf-Sterne-Hotels noch am nächsten und schien realistisch.

Dann hörte ich die Worte: „Mir wäre es lieber, wenn Sie duschen würden.“

Mal ehrlich, wieso fragt sie mich was ich gerne hätte, wenn ich es dann nicht haben kann?!

(…)

Was du nicht wusstest: dass ich echt fiese Schmerzen hatte und eine PDA wollte.

Die bekam ich allerdings nicht.

Weshalb ich sie nicht bekam?

Naja, die Hebamme vor dir war noch nicht so erfahren wie du.

Ich bin mir wirklich sicher, dass sie ihre eigenen Worte glaubte.

Sie sagte nämlich immer wieder „Wir haben es gleich geschafft.“

Vielleicht sah sie aber auch den Schichtwechsel kommen und meinte mit „wir“ nur sich selbst.”

 Nachlesen kannst du die ganze Geschichte bei Katharina Tolle.

Solange wir in Momenten, wie diesen nicht wirklich frei entscheiden können oder unsere Wünsche und Bedürfnisse übergangen werden, ist Selbstbestimmung ein Konzept auf dem Papier. 

Aber nicht in der Realität.

Dazu kommt, dass Geburtstraumata oft kleingeredet werden, ganz nach dem Motto “Stell’ dich doch nicht so an!” oder “Sei doch froh, dass dein Kind gesund ist.”

Eine selbstbestimmte Geburt braucht nicht nur Aufklärung, sondern auch eine bewusste, respektvolle und gewaltfreie Kommunikation zwischen Frauen und medizinischem Personal.

Selbstbestimmt gebären heißt für mich …

  1. …, dass ich entscheide.
  2. …, Aufklärung über mögliche Optionen und das Respektieren meiner Wahl. Es gibt nicht “den einen Weg”, es gibt “meinen Weg”.
  3. …, dass ich als Expertin für meinen Körper wahrgenommen werde. Ich muss nicht brav folgen, sondern kann mich abgrenzen, wenn ich es will.
  4. …, dass die Frau sein darf, wie sie gerade ist. Vielleicht laut oder leise. Vielleicht flucht und schreit sie. Vielleicht lacht oder weint sie. Sie sollte sich auf jeden Fall nicht mit der Frage beschäftigen müssen “Was könnten die anderen denken.” 
  5. …, dass ich das Recht (und die Pflicht) habe, mich vor übergriffigen Verhalten zu schützen.



Um das zu können, muss ich mich selbst und meine Grenzen nicht nur gut kennen. 

Ich muss den Mut haben, meine Stimme zu erheben – auch in den Momenten, in denen andere von mir erwarten, dass ich einfach mitmache.

Mein Fazit

Selbstbestimmung ist kein Luxus und nicht „nur“ ein Frauen-Thema, sondern ein gesellschaftliches Thema. 

Sie ist unser aller Recht. 

Ich mache es noch deutlicher: Menschenrecht = Frauenrecht.

Doch das Recht auf Selbstbestimmung wird Frauen – besonders rund um Schwangerschaft und Geburt – oft abgesprochen.
Entscheidungen werden einfach über ihre Köpfe hinweg getroffen. 

Ihr Körper ist nur das Gefäß für die Produktion. 

Sie werden zum medizinischen Projekt degradiert. 

Ihre Grenzen, Wünsche und Bedürfnisse werden ignoriert.

Wir dürfen das nicht akzeptieren.

Wir müssen aufklären und wenn nötig, einfordern.

Die Geburt ist nicht nur ein Prozess nach dem bekannten “Schema F”, der abgearbeitet wird.
Es braucht bessere Strukturen, mehr Transparenz, eine respektvolle Kommunikation und eine Kultur, die Frauen als die Expertinnen für ihre eigenen Körper ernst nimmt.

Und gleichzeitig beginnt echte Veränderung nicht nur da draußen, bei den anderen oder im System. 

Sie beginnt in uns.

Wir müssen wissen, was wir wollen und unser Selbstvertrauen stärken.

Wir Frauen müssen unsere Grenzen kennen und sie klar setzen.
Wir müssen (gemeinsam) für unsere Rechte kämpfen und gleichzeitig den Mut haben, sie individuell einzufordern.

Selbstbestimmung ist nicht nur das, was uns gegeben wird.

Sie ist auch das, was wir uns nehmen.

Und du?

 Teile gerne deine Gedanken zur selbstbestimmten Geburt in den Kommentaren.

  • Liebe Marion, dieses Thema nimmt mich sehr mit. Es steckt so viel darin. Es ist so leicht zu denken, selbstbewusst zu sein, karriereorientiert, zielorientiert, leistungsorientiert, sich selbst zu reflektieren bla bla und dann, dann geht um das Thema Kinderwunsch und ich darf lerne, wenn du keine Ahnung hast, hilft dir die ganz Selbstbestimmung nichts. Danke für die Einladung zur Blogparade. Hier mein Blickwinkel:

    https://www.sternenkinder.org/was-haben-sternenkinder-mit-feminismus-zu-tun/

    Und ich finde es so toll, dass du darüber nicht nur schreibst, sondern auch aktiv Begleitung anbietest, um das eigene Leben bei allen Schritten selbst bestimmt zu gehen. Ich kann nur allen raten: Lasst euch von Marion verzaubern – in euch selbst.

    • Liebe Tanja, danke fürs Teilen deines Blogartikels. Ich finde dein Bild großartig: „Für mich ist Feminismus wie Hausarbeit: täglich aufs Neue, sonst vernebeln die Rechte und Privilegien. Frauen sehen sie selbst nicht mehr.“ Das ist es! Feminismus ist kein One-Day-Sale. Es ist ein Dauerbrenner. Und danke für deine lieben Worte.

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