My KISS for you:

  • Absturz im Vollsuff: Eine Nacht eskaliert. Kontrollverlust, Filmriss, Einsatz der Feldjäger, schwer verletzte Person – Leben bricht weg.
  • Konsequenzen im Dienst: Vernehmung, Uniformverbot, Entlassung aus der Bundeswehr. Verantwortung und Realität holen den Protagonisten ein.
  • Perspektive der Offizierin: Brutale Videoaufnahmen, fehlende Empathie im System, Werte erschüttert. Der Fall wird zum eigenen Trauma.

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Autorin: Marion Glück

Marion Glück ist Marion Glück – Mentorin, Autorin und (Sternen-)Mama. Mit „Buchtherapie“ zeigt sie Frauen, wie Schreiben Gefühle ordnet, Wunden würdigt und Selbstbewusstsein stärkt. Nach Depression und vier Fehlgeburten fand sie über Tagebuch und Buch zurück ins Leben. Heute verbindet sie Erfahrung, Psychologie und Führung für emotionale Klarheit und ein neues Kapitel.


Thema: Karriere – Joker

Magic 8

Gechannelt von Angela Ziller

  1. Glück
  2. feiern
  3. Lust
  4. Stufen
  5. Wasserkocher
  6. Verlust
  7. Fuchs
  8. Bienen


Das ist meine Geschichte


Die letzten Tage waren wir auf dem Übungsplatz.

Kein Alkohol.

Dafür das ganze Viehzeug – Mücken, Bienen, Fliegen.

Heute ging es früh zurück – zurückrüsten und Reinschiff.

Wir hatten schon seit Tagen Lust zu feiern.

„Wir“ sind mein Stubenkamerad und ich.

Frisch geduscht, schaffen wir uns eine Grundlage.

Würstchen aus dem Wasserkocher und Käsesandwich. Mehr geht auf der Bude ohne Küche nicht.

Nebenbei gibt es Bier, später Hartgas.

Vorglühen, bevor es auf die Piste geht.

Wir glühen härter vor als andere Party machen.

Die anderen wollen nicht mit uns losziehen, sondern morgen Vollgas geben – auf der Autobahn nach Hause.

Sie machen ihren DLC mit ihren Hasen.

DLC – Daily Love Call – hätte ich auch gerne. Hab aber kein Glück mit den Hasen.

Wir ziehen uns an.

Die Stufen im Block kommen wir unfallfrei runter.

An der Wache wartet das Taxi zum Bahnhof.

Wir erreichen den Zug von Boostedt nach Kiel.

Im Zug saufen wir weiter.

In Kiel ziehen wir von einer Kneipe zur nächsten.

Bis das Geld alle ist. Wir haben noch nicht genug.

Wird Zeit für die Sparkasse.

An der frischen Luft knallt der Stoff so richtig rein.

Sparkasse, Geld, Handy.

„Ey, was’n das für’n Typ da …“

Kompletter Kontrollverlust

Filmriss …

Ich wache auf.

Auf meiner Stube.

Mein Schädel brummt.

Ich könnte kotzen.

Stehe auf. Keine Schnürsenkel in den Botten.

Äh?!

14.17 Uhr?! Was is’n überhaupt für’n Tag?

Woran erinnere ich mich als Letztes?

Wir wollten Party machen, waren in Kiel, haben Vollgas gegeben.

Wie bin ich zurückgekommen?!

Irgendwas war doch gestern.

Mein Telefon ist weg. Scheiße. Verloren.

Der Spieß reißt die Tür auf.

„Boah! Alter! Mach ma’ langsam. Red’ nicht so schnell und nicht so laut.“

Jetzt muss ich doch kotzen.

Danach muss ich zum Chef.

Der Chef is ’ne Alte. Sieht gut aus. Is der Kettenhund vom echten Chef. Der hat Urlaub.

Nächste Woche ist er wieder da. Zum Glück.

So heißt sie – Glück.

Als ich vor ihr sitze, schwitze ich wie ein Schwein.

Irgendwas stimmt hier nicht.

Wenn ich nur wüsste, was!

Der Spieß bleibt mit mir da.

„Sind Sie vernehmungsfähig?“

„Vernehmung?“

„Ja, ich will Sie als Soldat vernehmen. Fühlen Sie sich vernehmungsfähig?“

„Ja, wieso? Was ist passiert?“

„Das wollen wir jetzt herausfinden. Ihr Telefon habe ich Ihnen abgenommen. Es wurde ausgelesen.“

Mein Telefon ist nicht weg. Sie hat es. Scheiße. Verloren.

Sie hat bestimmt auch meine Schnürsenkel. Fuchs ist sie, nicht Kettenhund.

Sie fragt. Ich antworte. Sie sieht mich an und tippt nebenbei das Protokoll– Wort für Wort, so wie ich es sage. Das ist gar nicht gut.

Dann liest sie mir alles noch einmal vor.

Ich suche immer noch nach meiner Erinnerung. Sie weiß viel mehr als ich.

Die Feldjäger haben uns heute früh im Vollsuff zurückgebracht. Ich habe gefilmt, wie wir einen Penner in der Sparkasse fast kaltgemacht haben. Liegt mit Schädelbasisbruch im Krankenhaus.

Sie fragt: „Wieso?“

Ich weiß es nicht. Wir hatten nur Lust zu saufen und wollten feiern. Mehr nicht.

Sie spricht ein Uniformtrageverbot aus. Ich darf nicht mehr am Dienst teilnehmen. Muss mich jeden Tag bei einer Einheit an meinem Wohnort melden und beim Spieß anrufen.

Ich heule und unterschreibe das Protokoll.

Ich komme nie wieder zum Dienst.

Nach den Verfahren bin ich verurteilt und aus der Bundeswehr entlassen.

2 Jahre später fahre ich mit meinem Motorrad mit Vollgas gegen einen Baum.



Buchtherapieanteil

Ich war 2010 stellvertretende Chefin im Logistikbataillon in Boostedt.
Es war der letzte Vertretungstag. Bis dahin war alles easy gelaufen. Am letzten Tag war alles anders.

Morgens standen die Feldjäger auf der Matte und brachten die beiden Soldaten zurück.

Ich war nicht, wie geplant, um 11.30 Uhr auf der Autobahn, sondern bis spät in den Abend mit Ermittlungen beschäftigt und habe das Verfahren für die Abgabe vorbereitet.

Ich habe schon viele brutale Filme gesehen. Doch ein Film auf Netflix ist ein Film.

Die Videodatei vom Telefon war echt und das Schlimmste, was ich bisher gesehen habe.

Hören, wenn ein Schädel bricht.

Die Schnürsenkel und alle anderen Gegenstände, mit denen die Soldaten Suizid hätten begehen können, habe ich ihnen abnehmen lassen.
Der Spieß musste jede Viertelstunde eine Ronde gehen und die Vitalfunktionen überprüfen.

Was mich tief verletzt und entsetzt hat, war für mich das fehlende Verständnis der anderen Offiziere. „Die machen doch einen guten Dienst. Ich finde, du bist viel zu hart.“
Mir wurde auch untersagt, Blumen ins Krankenhaus zu schicken, denn dies würde einem Schuldeingeständnis gleich kommen.

‚WTF! Guckt euch das Video an!‘ habe ich nur gedacht und innerlich mit dem Kopf geschüttelt. Übernahme von Verantwortung sah für mich anders aus.
Mein Wertegerüst war erschüttert. Menschliche Abgründe taten sich auf.

Statt es zu verarbeiten, packte ich alles unverarbeitet in meine nächste Kiste und stellte sie in meinem innen Kellerarchivabteil ab. Rausgeholt habe ich die Kiste erst 2015 und begann mit der Verarbeitung.

Darüber zu sprechen fiel mir leicht, doch erst durch das Aufschreiben fühle ich, dass das Kapitel abgeschlossen ist.

2 Jahre später erzählte mir eine Kameradin, dass der Soldat verurteilt worden und kurze Zeit später mit dem Motorrad verunglückt war.
Sie fragte mich, was das mit mir machen würde und ob ich mich verantwortlich fühlen würde.

Meine Antwort war NEIN und doch blieb für mich unklar, ob es einen Zusammenhang gab.

Ob der Kamerad noch lebt, weiß ich nicht.

Und du?

Ich bin sicher, dass auch du deine Geschichte hast.

Hast du deinen Frieden damit gefunden?
Ich meine wirkliche innere Ruhe?

Dann freue ich mich sehr für dich.

Falls da jedoch noch eine Kiste im Keller steht, lege ich dir ein Journal und einen Stift wärmstens ans Herz.

Schreib!
Fü(h)r dich und deine Gesundheit.

  • Liebe Marion,
    was für ein großartig geschriebener Artikel. Du hast mich von der ersten bis zur letzten Zeile emotional mitgenommen und mich an die ein oder andere Situation erinnert, in der ich mich als Führungskraft befunden habe. Ich glaube, ich sollte auch mal in meine Kellerkiste gucken.

    Liebe Grüße,
    Claudia

    • Awww, danke schön. Ich freue mich sehr, dass meine Worte bei dir eine Regal-Stehrumchen entstaubt haben. Ich fordere dich zum Schreibduell. 😉

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