Die Stiftung Dein Sternenkind ermöglicht es Betroffenen, wertvolle Erinnerungen an ihr verstorbenen Baby auf liebevolle und zarte Weise festzuhalten. In diesem Artikel erfährst du mehr über meine ersten Berührungspunkte mit dem Thema Sternenkindfotografie. Außerdem bekommst du einen Einblick in die Arbeit der SternenkindfotografInnen und die Stiftung Dein Sternenkind.
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Meine erste Erfahrung mit Sternenkindfotografie
Januar 2023
Ich bin schwanger und scrolle durch meinen Social Media Feed und bleibe an einem Foto hängen.
Darauf zu sehen sind Zwillinge. Ganz zierlich. Sie haben kleine Wollmützen auf und liegen ganz friedlich da.
Ich denke an Anne Geddes und ihre Babyfotos.
Die Zwillinge sehen aus wie kleine Wachspüppchen.
Ich sehe mir den Kanal genauer an.
Sternenkindfotografie.
Oh Gott!
Nein!
Blockieren.
DAS will ich mir nicht manifestieren, dachte ich dabei.
März 2023
„Es gibt Sternenkindfotografen. Das wusste ich damals nicht, als ich meine Fehlgeburt hatte“, sagt meine Schwägerin zu meinem Mann am Telefon.
Er sieht mich ratlos an.
Im Januar war meine Welt noch in Ordnung gewesen.
Jetzt plante ich die Geburt meiner toten Tochter.
Nein!
Kein Sternenkindfotograf.
Ich weiß ohnehin nicht, was mich im Krankenhaus erwarten wird.
Wie es mir gehen wird.
Wie ich mit der Gesamtsituation umgehe.
Ich brauche vor Ort nicht noch eine Person, auf die ich mich einstellen muss.
Babyfotos von meiner toten Tochter.
Wozu?
Fürs Familienalbum und die Weihnachtskarten?
Kein Fotograf.
Ich bin nicht bereit, nur eine Minute von der Zeit mit meinem Kind mit Fremden zu teilen.
Was bedeutet Sternenkind?
Es ist für viele Menschen nicht leicht zu ertragen, wenn man das Kind beim Namen nennt.
„Sternenkind“– auch “Engelskind“ oder „Schmetterlingskind“ sind beschönigende Bezeichnungen für ein Baby, das tot zur Welt kommt oder kurz nach der Geburt verstirbt – so wie meine Loreley. (Hier kannst du mehr lesen.)
Sobald die Eizelle befruchtet ist, wächst ein Mensch mit Seele.
Sobald das Baby stirbt, erleiden die Eltern einen Verlust.
Für den Trauerprozess ist es wichtig, dass das Kind als Kind zählt – unabhängig von Schwangerschaftswoche und Gewicht.
Ab wann gilt ein Kind als tot geboren?
Hier kommen wir in den Bereich der jeweils geltenden rechtlichen Definition.
In Deutschland gelten Kinder als tot geboren, wenn sie außerhalb des Mutterleibs
- keinen Herzschlag haben,
- keine natürliche Lungenatmung oder
- das Pulsieren der Nabelschnur fehlt.
Bis 1994 war außerdem ein Mindestgewicht von 1.000 Gramm nötig.
Dieses wurde zum damaligen Zeitpunkt auf 500 Gramm herabgesetzt.
2018 gab es eine weitere Anpassung.
Seitdem muss das Gewicht des Kindes bei der Geburt mindestens 500 Gramm betragen oder die 24. Schwangerschaftswoche muss erreicht worden sein.
Liegen diese Gegebenheiten bei der Geburt nicht vor, handelt es sich rein rechtlich um eine Fehlgeburt, die nicht im Personenstandsregister beurkundet wird.
Es sei denn, es handelt sich um eine Mehrlingsgeburt, bei der das andere Kind lebend zur Welt kommt oder eine Totgeburt nach rechtlicher Definition ist.
Dann wird auch das andere Kind, dass die Bedingungen nicht erfüllt als tot geborenes Kind beurkundet.
Stiftung Dein Sternenkind
Kommen wir jetzt zur Arbeit mit einem Sternenkindfotografen.
Ich habe mich inzwischen sehr ausführlich mit Sternenkindfotografie beschäftigt.
Könnte ich die Zeit zurückspulen, würde ich heute einen Menschen aus dem Team von Dein Sternenkind ins Krankenhaus kommen lassen.
Diese Menschen arbeiten ehrenamtlich – so wie sich andere im Ehrenamt beim Kuchenbasar in der Schule oder als FußballtrainerIn im örtlichen Verein engagieren.
Sie helfen mit ihrer Arbeit den Eltern und Angehörigen von toten Babys bei der Verabschiedung und der Trauerarbeit.
Ihnen ist es egal, wie schwer oder wie alt das Baby ist.
Kind ist Kind.
Tot ist tot.
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Die Einsätze
Ihre Arbeit bezeichnen sie als „Einsatz“.
Es erinnerte mich an die Bundeswehr.
Die SoldatInnen sind auch im Einsatz.
Dabei handelt es sich um Ausnahmesituationen.
Wichtig ist sowohl bei SoldatInnen als auch bei SternenkindfotografInnen, dass sie sich um ihre Einsatznachbereitung kümmern, damit ihre Seelen nicht verkümmern.
Die Stiftung Dein Sternenkind begleitet Einsätze in Deutschland, Südtirol, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz.
Alarmierung
Ich habe mit vier SternenkindfotografInnen gesprochen.
Sie können sich alle an ihren ersten Einsatz und das Sternenkind erinnern.
Krankenhausmitarbeitende, Hebammen und Betroffene können sich sowohl über das Kontaktformular als auch über das Telefon an Dein Sternenkind wenden.
In vielen Kliniken steht Dein Sternenkind mittlerweile auf der Checkliste im Falle einer stillen Geburt.
Wenn jemand bei der Organisation anruft, dann landet der Anruf auf einem Anrufbeantworter, um die Kosten für beispielsweise Anrufe aus dem Ausland zu reduzieren.
Anschließend ruft ein Teammitglied von Dein Sternenkind innerhalb von wenigen Minuten zurück.
Nach dem Gespräch wird ein Alarmierungssystem in Gang gesetzt, wie es auch bei der Feuerwehr zum Einsatz kommt.
So wird sichergestellt, dass jede Familie begleitet werden kann, die interne Kommunikation und Einsatzplanung reibungslos funktioniert und der Datenschutz gewahrt wird.
Die FotografInnen entscheiden selbst, in welchen Alarmkreisen sie verfügbar sind und ob sie einen Einsatz begleiten wollen.
Niemand braucht sich für ein NEIN zu rechtfertigen.
Meine Erkenntnis
Ich hatte mich bewusst gegen die Zusammenarbeit mit Dein Sternenkind entschieden, weil ich meine Zeit mit Loreley mit niemandem teilen wollte.
Erst später wurde mir bewusst, dass die SternenkindfotografInnen das Kind und die Eltern nicht in Beschlag nehmen. In den meisten Fällen sind sie zwar mit im Raum und machen Bilder. Die FotografInnen sind aber kaum zu merken und nicht störend. Sie sind BeobachterInnen und dokumentieren den Abschied.
Auf Wunsch machen sie auch innerhalb kürzester Zeit Fotos von Füßen, Händen und anderen Details, damit sich Betroffene später erinnern können.
Auch wenn ich mich gegen einen Sternenkindfotografen entschieden hatte, konnte ich sehr gut nachvollziehen, wie wichtig ein Bild vom eigenen Kind für die Trauerarbeit ist.
Durch Oliver Wendlandt und seine FotografInnen von Dein Sternenkind bekam ich später einen umfangreichen Einblick in diese Arbeit.
Statistik
Gemäß der Statistik von Dein Sternenkind waren die FotografInnen im Jahr 2022 bei 4.133 Einsätzen unterwegs.
Im Schnitt ließen im Monat 344 Eltern ihr totgeborenes Baby fotografieren.
Wie viele Babys tot zu Welt kommen und aus der Statistik rausfallen, wissen wir nicht mit Sicherheit.
Loreley würde jedenfalls nicht in die Statistik von 2023 bei Dein Sternenkind eingehen, da ich die Zusammenarbeit abgelehnt hatte.
In der Statistik des Statistischen Bundesamtes wird sie jedoch aufgenommen, da sie die Bedingungen für ein totgeborenes Baby erfüllt.
Sie kam mit 545 Gramm am 17.03.2023 zur Welt.
Was ich interessant finde, ist das Zitat der Pressemitteilung Nr. 287 vom 20. Juli 2023 des Statistischen Bundesamtes. Hier heißt es “Im Jahr 2022 wurden in Deutschland 3.247 Kinder tot geboren. Das waren 173 Totgeburten oder 5 % weniger als im Jahr 2021.“
Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes weichen von der Statistik von Dein Sternenkind ab und ich kann es mir nur aufgrund der rechtlichen Definition erklären.
Gründung und Arbeit
Dein Sternenkind wurde Ende 2013 gegründet, um Hebammen bei ihrer Arbeit zu entlasten und Eltern ästhetische Erinnerungsfotos zu ermöglichen.
Seit Anfang 2016 sind die FotografInnen zu über 21.000 Einsätzen ausgerückt.
Das sind mehr als eine Million archivierte Fotos.
Heute können Betroffene bereits aus über 660 Kliniken auswählen, die von SternenkindfotografInnen betreut werden.
Neue Klinikadressen werden automatisch erfasst.
Heute besteht Dein Sternenkind aus…
- … einem dreiköpfigen Leitungsteam, das neben der Presse-, Social Media- und Datenschutzarbeit auch die Verwaltung der Webseite und weitere Administration übernimmt.
- … 18 KoordinatorInnen, die die Einsätze leiten.
- … 16 MentorInnen, die neue FotografInnen auf den ersten Einsatz vorbereiten, sie an die Hand nehmen und sie vor und unmittelbar nach dem ersten Fotoeinsatz telefonisch begleiten.
- … 30 BildbearbeiterInnen, die auch Fotos aus der Vergangenheit überarbeiten und vorzeigbar machen.
- … eine Kriseninterventionskraft, die eine Supervision durchführt, wenn FotografInnen belastet aus einem Einsatz kommen. Einige FotografInnen sind selbst Eltern eines Sternkindes und ein Einsatz kann triggern. Deshalb ist ein Gespräch mit einem Menschen wichtig, der weiß, wie man mit solchen Traumata umgeht und hilft.
- … mehr als 750 FotografInnen.
Auswahlverfahren
Nicht alle FotografInnen bei Dein Sternenkind sind BerufsfotografInnen.
Es gibt auch viele FotografInnen, die leidenschaftlich gerne fotografieren und einen anderen Lohn- und Brotjob haben. Auch sie können hervorragende FotografInnen sein und ein unglaublich gutes Auge haben.
Manchmal haben sie auch eine deutlich bessere Ausrüstung als die BerufsfotografInnen.
Jeder, der sich bei Dein Sternenkind bewirbt, legt eigene Bilder vor, die dann genau geprüft werden.
So werden Menschen gefunden, die ihre Kamera blind beherrschen, denn es gibt keine zweite Chance für das Fotoshooting. Es ist eben wirklich das erste und das letzte Bild.
Außerdem muss ein gewisses Level an Empathie mitgebracht werden, um dieses Ehrenamt wahrnehmen zu können.
Kosten und Finanzierung
Die Kosten der SternenkindfotografInnen bspw. für Fotoausrüstung, Benzin, Porto, wenn sie USB-Sticks mit Bildern verschicken, und Verpackungsmaterial tragen die FotografInnen entweder selbst oder es werden Spendengelder genutzt.
Was ich besonders gut finde: Eltern können auch ihre eigenen Fotos zur Aufarbeitung einsenden – egal wie alt sie sind.
Zwar hatten die Hebammen auch Bilder gemacht, doch die waren einfach gruselig.
So wollte ich Loreley nicht in Erinnerung behalten.
Deshalb sollten Eltern die Zusammenarbeit mit Dein Sternenkind aus meiner Sicht unbedingt in Erwägung ziehen. Auch wenn es in der Ausnahmesituation im Krankenhaus unvorstellbar erscheint.
Es lohnt sich. Die Trauerarbeit wird damit unterstützt.
Dein Sternenkind finanziert sich ausschließlich aus Spenden.
Auf der Webseite gibt es einen Button für freiwillige Spenden, doch den musste ich lange suchen.
Auch Spendenaufrufe in Social Media gibt es von Dein Sternenkind nirgends.
Es wird dabei überschätzt, wie viel tatsächlich gespendet wird – immerhin handelt es sich um eine ganz kleine Nische der Hilfeleistung, die noch nicht bei vielen Menschen bekannt ist.
Anerkennung der Arbeit
Dein Sternenkind hat den Deutschen Engagementpreis gewonnen.
Das ist der höchste Preis für Organisationen.
Der im Januar 2023 verstorbene Gründer Kai Gebel bekam für sein Engagement außerdem das „Bundesverdienstkreuz am Bande“ verliehen.
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Das Bild von meinem Kind ist für mich wichtig, weil …
- … es die Erinnerung durch die Visualisierung leichter für mich macht.
Ich sage mit Stolz „Das ist Loreley. Das ist meine Tochter.“ - … das Kind zur Familie gehört – es ist nur eher gegangen.
Durch das Bild bekommt das Kind einen Platz innerhalb meiner Familie.
Das letzte Ultraschallbild hängt am Kühlschrank und das Bild aus dem Krankenhaus steht auf meinem Schreibtisch. - … ich so immer sicher sein kann, dass Loreley existiert hat.
Das war gerade nach der Geburt wichtig, weil ich kein Baby im Arm hatte.
Durch das Bild habe ich sie immer bei mir. Das gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Sie ist echt und ich bin Mama. - … mir meine Trauerarbeit erleichtert wird.
Ich kann mich intensiv mit meinen Gefühlen auseinandersetzten.
Die Traurigkeit weicht Stück für Stück den Gefühlen von Liebe und Dankbarkeit. - … es mir die Kommunikation erleichtert hat.
Es ist für mich eine Möglichkeit über Loreley und die Themen Fetozit, Totgeburt und Selbstliebe zu sprechen.
Meine Tochter kam tot zur Welt. Ich werde sie nicht auch noch totschweigen.
Mit einem Bild kann ich anderen zeigen, was ich verloren habe.
So bekommen die Worte „es tut mir leid“ ein anderes Gewicht, denn mein Gegenüber versteht besser, was ihm konkret leidtut.
Ohne Bild ist es für manche Menschen unvorstellbar. - … ich es als Ausdruck sehe, dass ich Loreley ehre und an sie denke – nicht nur zu Gedenktagen, sondern immer und jederzeit.
„Es ist eine Herzenssache von uns und ein Ehrenamt im wahrsten Sinne des Wortes. Die Eltern sollen sich nicht genötigt oder in irgendeiner Art und Weise verpflichtet fühlen.“
sagte Oliver Wendlandt im Interview als es um die Kosten ging.
Ähnliche Worte hörte ich von meinen anderen InterviewpartnerInnen.
Ich bedanke mich herzlich für die Interviews bei
Dr. Thomas Sitte – Deutsche Palliativstiftung
Oliver Wendlandt – Dein Sternenkind
Andreas Lattke – Dein Sternenkind
Katrin Titze – Dein Sternenkind
3 Empfehlungen zum Thema Sternenkind
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- Das Kartenset von Dagmar Achleitner empfehle ich dir, weil es uns sehr gut durch durch unseren Trauerprozess begleitet hat.
Meine Frage an dich
Hattest du vor dem Blogartikel schon einmal von Sternenkinderfotografie und der Stiftung Dein Sternenkind gehört?