Heute ist Sonntag.

Sonntag, der 17.09.2023.
Es folgt meine persönliche HEUTE-Sendung – Frontal mit wichtigen Tagesthemen.


  1. Heute vor 6 Monaten wurde Loreley tot geboren. (Hier kannst du mehr zum Buchprojekt lesen.)
  2. Heute veröffentliche ich mein Buch „Schwere Entscheidungen leicht treffen: Schwangerschaftsabbruch oder Schwangerschaft austragen? Kompromisslos entscheiden! Am Beispiel von Spina bifida.“
  3. Heute gibt es einen Gastbeitrag zum Thema „Schwangerschaftsabbruch“.


Umgang mit Tabu-Themen in der Medienwelt


Der offene Umgang mit Tabu-Themen in der Medienwelt.

Ein eigenes Tabu-Thema.

Hier allerdings nicht.

Ich mache regelmäßig meine eigene Tagesschau.

Heute teile ich mit dir, welche Aussagen mich aus den Redaktionen unserer Fernsehwelt bisher erreichten.

Es folgt die Ziehung der Lottozahlen.
„6 aus 49“ – Reaktionen von Redaktionen jener Sender, die du in jeder TV-Zeitschrift findest.


Reaktion von Redaktion – Meine persönliche Presseschau


Reaktion 1: „Leider kommt das Thema nicht für uns infrage.“

Reaktion 2: „Danke für das Angebot, aber wir wollen das nicht machen, das Thema ist ein bisschen zu heftig für den Freitagabend.“


Reaktion 3: „Das Thema sieht N. leider nicht. Zu düster …“

Reaktion 4: „Bei Emotion/Psyche nur „Leichtes“ wie Stress in der Familie.“

Reaktion 5: „Sie meldet sich bei Interesse. Nachhaken nicht erwünscht.“

Reaktion 6: „Das Thema ist nichts für den frühen Morgen.“

Nichts für morgens.

Nichts für abends.

Und für zwischendurch lieber nur leichte Kost.

Kurz: Das perfekte Dinner.
„Schonkost“ für die Zuschauer, wenn es um Themen „von nebenan“ geht.

Dafür „deftige Kost“ und Dauerbeschallung bei weltweiten Kriegen und Krisen.

Unbezahlte Werbung: An dieser Stelle geht ein dickes Danke an meine Kooperationspartner von Scout Promotion.

Die Printmedien sind offenbar nicht anders, wobei ich hier noch keine Erfahrung habe.

Die hat jedoch Anja Plechinger.
Leute heute: Es folgt ihr Gastbeitrag – passend zum Thema.

Dabei ist sie nicht zu hart, aber fair.

Klartext von Anja Plechinger


„Auch ich fühle mich beim Thema ‚Schwangerschaftsabbruch‘, vor allem wenn es derart persönlich wird, sehr unsicher.“


So lauteten die Worte, mit denen sich ein Chefredakteur bei mir zurückmeldete, nachdem ich ihm meinen Text Von meinem Abbruch und dem Mut zum Aufbruch für sein Magazin als Gastbeitrag angeboten hatte.

Er ließ mich wissen, dass sich die Herausgeber vier Wochen später treffen würden, er dort meinen Text vorstellt und danach wüsste, wie wir in dieser Sache weiter verfahren.

Dies blieb der letzte Kontakt mit besagtem Redakteur, denn ich hörte danach nichts mehr von ihm.


Habe ich mich darüber geärgert? Und ob!

War ich enttäuscht? Na klar.

Hat mich seine Reaktion überrascht? Nein, hat sie nicht.

Leider.

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf


Irgendwie schon absurd, wenn ich mir vorstelle, dass sich da eine Riege Männer zusammensetzt, um darüber zu entscheiden, ob der Text einer Frau über ihre Abtreibung gedruckt werden kann oder nicht.

Logisch, dass sie sich maximal unsicher auf diesem Terrain fühlen und resultierend daraus die Entscheidung gegen den Text ausfällt.

Ich will dem Chefredakteur gar keinen Strick aus seiner Reaktion drehen. Letztendlich ist sie nur ein Spiegel für unser gesellschaftliches Unvermögen, diesem Thema unvoreingenommen Gehör und Raum zu schenken.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.


Aus ebendiesem Grund hatte ich mich mit sehr viel Mut im Gepäck ans Schreiben meiner ganz persönlichen Schwangerschaftsabbruch-Geschichte gesetzt.
Denn obwohl ich mich als Gründerin von TROSTKUNST tagtäglich mit Sterben, Tod und Trauer beschäftige, meinen Mann kurz nach der Geburt unseres Sohnes verloren habe und seitdem einen sehr offenen und bewussten Umgang mit meiner Verlusterfahrung und meinem Trauerweg pflege, hatte ich erkannt, dass ich mich in Bezug auf meinem Schwangerschaftsabbruch gewissermaßen selbst zensierte.

Ein mutiger Schritt gegen das Schweigen


Also schrieb ich los und wollte damit vorangehen.

Einen bewussten Schritt aus der Unsichtbarkeit heraus, raus aus dem Schweigen und raus aus dem stillen Leiden. Unterbewusst hatte ich wohl gehofft, dass der Chefredakteur ebenso viel Mut aufbringen würde, wie ich und wir gemeinsam diesem Thema ein Stück mehr Sichtbarkeit schenken könnten. Nun ja, er war diesbezüglich offensichtlich noch nicht so weit.

Anja Plechinger I TROSTKUNST


Das meine ich keineswegs abwertend.
Er würde, wenn er könnte.
Wie all die anderen Menschen auch, die wegschauen, kleinreden, schweigen, verurteilen oder nicht verstehen.

Hierbei spielen so viele unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Beeinflussen kann ich diese kaum.

Was ich aber beeinflussen kann, ist meine eigene Haltung dazu.
Diese Haltung beeinflusst meine Gedanken, meine Selbstwahrnehmung, meine Handlungen sowie meine Entscheidungen.
Und damit beeinflusse ich wiederum mein Umfeld.
In kleinen Schritten.
Mit viel Geduld.
Aber auch ein winziger Schritt bedeutet Bewegung statt Stillstand.


Wenn das Persönliche gefährlich wird


Als ich mir in Vorbereitung dieses Gastbeitrages die Antwort des Chefredakteurs noch einmal ganz genau durchgelesen und in Ruhe auf mich habe wirken lassen, fiel mir allerdings noch eine Sache auf, die unseren Umgang mit Trauer im Allgemeinen mehr als treffend umschreibt.

Ich blieb nämlich an den Worten „vor allem, wenn es derart persönlich wird“ hängen.

Für mich klingt das ‚persönlich‘ fast schon wie ein Schimpfwort.
Ist das nicht eine wunderbare Projektionsfläche für unsere Trauerkultur?
Insbesondere natürlich mit unserem Umgang beim Thema Schwangerschaftsabbruch – einem Tabuthema im Tabu.


Indem ich persönlichen Schicksalen eine Stimme gebe, könnte es gefährlich für das Gegenüber werden. Gefährlich dahingehend, dass sich Gefühle zeigen, vor denen man vielleicht Angst hat.

Anja Plechinger I TROSTKUNST


Die sogenannten schweren Gefühle wie beispielsweise Trauer, Wut oder Angst, mit denen wir nicht gelernt haben umzugehen.
Die deshalb jeder mehr oder weniger mit sich allein ausmachen muss(te).
Ohne persönliche oder gesellschaftliche Vorbilder gehabt zu haben, die uns einen natürlichen und heilsamen Umgang damit vorgelebt hätten.

Wir müssen darüber sprechen: Immer wieder und immer lauter


Kratze ich jedoch nur an der Oberfläche und halte es allgemein statt persönlich, minimiere ich die Gefahr, dass sich herausfordernde Gefühle und Gedanken einstellen können.
So bleibt es definitiv unverfänglicher, als wenn ich mitten hinein in persönliche Schicksale gezogen werde.

Allerdings bleibt so auch die große Unsicherheit auf allen Seiten bestehen. Unsicherheit, wie wir mit diesem Thema Schwangerschaftsabbruch umgehen können.
Unwissenheit, was ein Schwangerschaftsabbruch genau bedeutet, womit er einhergeht und wie sich Betroffene fühlen.
Angst, nicht richtig zu sein aufgrund der getroffenen Entscheidung sowie den Gefühlen, die einen dabei überrennen.


Die Option eines selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs, ganz gleich aus welchen Gründen, sollte eine legale, tolerierte und offen gelebte Möglichkeit für jede Frau sein.
Und solange das noch nicht der Fall ist, müssen wir darüber sprechen.
Immer wieder und immer lauter.

Denn: „The personal is political.“
Das war bei der Frauen- und Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren schon so, und ist es immer noch.

Fakt ist auch, dass es Abtreibungen schon immer gegeben hat und sie auch weiterhin geben wird.

Erst gestern las ich, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland im zweiten Quartal 2023 angestiegen sind.

4,5 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
In meinen Augen ist daher der einzig lohnenswerte Weg der, dass wir unseren Umgang damit ändern.

Dass wir miteinander ins Gespräch kommen. Offen und klar.
Nur so finden wir zu ehrlichem Austausch untereinander und können Brücken der Empathie entstehen lassen.
Auch wenn wir uns dabei unsicher fühlen.
Oder vielleicht gerade deswegen!


Anja Plechinger I TROSTKUNST

Über die Autorin


Anja Plechinger ist Trostkünstlerin, Trauerwegbegleiterin und Traueraktivistin.


Nach dem frühen Tod ihres Mannes, der sie mit 32 Jahren zu einer alleinerziehenden Mama eines Säuglings machte, hat sie zum ersten Mal selbst erfahren, was Trauer ist und wie tabuisiert der gesellschaftliche Umgang mit Trauer noch immer ist.


Daran wollte sie etwas ändern und gründete 2014 TROSTKUNST.

Das Ziel ihrer Arbeit: Trauermutige Menschen, die sich und ihrer Trauer vertrauen und bewusst den eigenen heilsamen Trauerweg gehen.

www.trostkunst.de I www.editiontrostkunst.de
Trostkunst bei Instagram



In meinem persönlichen Aktenzeichen XY will ich mutige Menschen finden, die offen über das Tabu-Thema des Beitrags sprechen wollen.
Bist du selbst betroffen oder kennst du jemanden?

Bist so eine mutige Person?

Dann teile deine Gedanken im Kommentar.

  • Trauer ist leider noch immer ein Tabuthema. Dabei werden alle Menschen früher oder später damit konfrontiert. Dass das Leben endlich ist, macht es so kostbar. Loszulassen ist nicht leicht, tut weh und hinterlässt eine Lücke. Eine Lücke die bleibt, doch irgendwann nicht mehr so weh tut. Das ist meine Erfahrung mit Trauer. Menschen trauern unterschiedlich. Ich habe es geschafft und ein tiefe Leidenschaft fürs Leben und die Kleinigkeiten entwickelt, die mich dankbar und glücklich machen.
    Vielen Dank für den inspirierenden Gastbeitrag! 🙏

    • Vielen Dank für das Teilen deiner Gedanken. Trauer zeigt auch, dass sich etwas verändert. Jeder einzelne von uns hat in der Hand, in welche Richtung die Veränderung geht.

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